Heute ist der zehnte November und der Föhn bläst wieder einmal alles durcheinander. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich einen tief blauen Himmel, ein paar Vögel ziehen schnell vorbei und der Ahorn vor meinem Balkon erlaubt den Nachbarn wie jedes Jahr um diese Zeit einen besseren Blick auf meinen Arbeitsplatz. Im Sommer ist dieser Baum wie eine grüne Wand, beschützend und beruhigend. Eine Illusion von weiter Natur in einem urbanen Innenhof mit schönem altem Baumbestand.
Föhn bedeutet aber auch oft schlaflose Nächte und ein gutes Buch.
Eins meiner Lieblingsbücher ist von Marlen Haushofer. Wer auch noch die Verfilmung mit der wunderbaren Martina Gedeck gesehen hat weiß, wovon ich spreche. Eine Frau, alleingelassen und eingeschlossen in einer traumhaften Natur, kämpft um ihre Existenz.
Es sind diese Gedanken, die Geschichte und die Bilder dieses Films, die mich oft nachts beschäftigen, wenn ich wieder einmal nicht einschlafen kann oder von einem Föhnsturm geweckt werde.
Dann, wenn mich meine Füße im Dunkeln Schritt für Schritt durch die Wohnung führen. Dorthin, wo ich versuche, meine Gedanken, die wie an einem Ticketschalter Schlange stehen, von mir zu schieben und mich ausschließlich auf den Augenblick zu fokussieren. Eingehüllt in Decken und auf meinem Kissen hockend, sitze ich so lange, bis sich Atem und Geist allmählich wieder beruhigen.
Der frühe Tag beginnt mit einer zart rosafarbenen Morgendämmerung am nachtschwarzen Himmel. Es wird wieder ein strahlend blauer Tag werden. Der Föhn, der den Himmel manchmal wolkenlos und tiefblau färbt, hat mich auch oft in meinem Leben hin- und her geblasen. Hat mich wie Herbstlaub, das am Boden liegt, durcheinander gewirbelt und mich wieder nach oben geblasen. Auf die Gipfel der Berge, wo ich wieder in meine Mitte zurück fand.
Der blaue Himmel hat sich mit vielen weißen, wie mit einem Pinsel gemalten Wolken geschmückt. Der Föhn hat in den letzten Tagen zugelegt und bläst mit aller Kraft. Natur und Mensch werden durcheinander gewirbelt. Wenn er zusammenbricht, hat sich wieder alles verändert, ist alles wieder anders.