Neulich war ich wieder einmal „auf eine Melange“ in Tirol. Ausnahmsweise nicht auf einem Berg, sondern in Innsbruck. Dort kann man zwar auch auf die Berge gehen, hinauf radeln oder mit der Bergbahn nach oben fahren. Und es gibt dort auch viele schöne Cafés, aber nur ein Kaffeehaus. Da ich ab und zu gerne mein Faible für Tradition pflege, ist das Cafe Central mein Lieblingscafé in Innsbruck.
Im Central zu sitzen ist immer wieder ein Erlebnis. Entweder auf der Terrasse oder drinnen, im stilvollen Ambiente zwischen den Einheimischen, den Studenten und den Touristen. Es gibt die traditionellen österreichischen Mehlspeisen und – ganz wichtig – es gibt Würstl mit Saft und einer Handsemmel. Eine Handsemmel ist übrigens eine Semmel, die vom Bäcker noch mit der Hand hergestellt wird. Schon deshalb lohnt sich Innsbruck immer wieder. Das Central gehört schließlich zu den schönsten Kaffeehäusern Europas. Dass ich im Central auch immer wieder interessanten Menschen kennen lerne, hat sich als eine äußerst angenehme Begleiterscheinung erwiesen. Im Übrigen darf seit Februar nicht mehr im Cafe geraucht werden, nach 130 Jahren hat dort das Rauchen ein Ende gefunden.
DIeses Mal habe ich Andreas aus Wien kennen gelernt. Wir sind bei einer Melange ganz locker ins Gespräch gekommen und zwar in ein äußerst interessantes Gespräch über das Älterwerden, ein entspannteres Leben im Alter und über die diversen Sportmöglichkeiten. Und auch über Yoga und dessen Auswirkungen. Ich war gespannt, was er mir erzählen würde.
Andreas war als Architekt sein Leben lang mit Job und Familie beschäftigt. Er hatte wenig Zeit, sich um sein Wohlergehen zu kümmern und daher erst mit 65 Jahren mit Yoga angefangen. Weshalb Yoga und nicht ein Fitness-Studio, fragte ich neugierig. Einige meiner Bekannten gehen zwar sporadisch ins Fitness-Studio, joggen immer noch verbissen durch die Straßen und wundern sich wenn am Abend das Kreuz und die Gelenke schmerzen. Doch bei Yoga scheiden sich meistens die Geister. Für viele (ältere!) Männer ist Yoga noch immer etwas, das nicht zu unserer westlichen Lebensweise passt und wozu sie sich absolut nicht mehr aufraffen wollen. Sorry Jungs, es ist leider so! Das hat doch mit Esoterik und Wellness zu tun und überhaupt, Yoga ist sowieso nur etwas für Frauen! So lautet oft die Antwort.
Nicht so bei Andreas. Er war extrem neugierig. Er wollte sich bewegen und wollte erfahren was seinem Körper gut tut. Sein Ziel war – wenn überhaupt – erst möglichst spät etwas aufgeben zu müssen. So hatte er sich nach einigen Probestunden in diversen Yoga-Studios für Iyengar-Yoga entschieden, das er nun schon seit zehn Jahren regelmäßig und sehr erfolgreich praktiziert. Einmal pro Woche im Studio und täglich zu Hause. Er hatte sich für Yoga entschieden, weil er erfahren und spüren wollte, was in seinem Körper in Verbindung mit Bewegung abläuft. Andreas wollte wissen, wie sein Körper funktioniert und – was für ihn sehr wichtig war – er wollte eine angenehme und ruhige Atmosphäre ohne Hektik und ohne dröhnende Musik.
Zu seinem Wunsch nach Bewegung in Ruhe kam nach einiger Zeit noch etwas Erstaunliches dazu. Er hatte angefangen Flöte zu spielen. Aber nicht irgendeine, sondern eine ganz besondere Flöte. Ich habe fast ein Jahr dazu gebraucht, um überhaupt einen Ton heraus zu bekommen erklärte er mir. Heute nimmt er regelmässig an Shakuhachi Workshops teil.
Interessant, wohin eine Entscheidung noch führen kann und mir fiel ein Satz von Iyengar ein: Beim Yoga dehnen wir nicht nur die Glieder, wir dehnen auch das Bewusstsein.
Neugierde, Offenheit und Interesse an Unbekanntem machen das Leben spannender und interessanter. Wer sich nur an Vertrautem festhält, wer nur noch rastet und nichts mehr wagt, der rostet bekanntlich. Wer jedoch immer wieder Neues versucht, den inneren Saboteur ruhig stellt, bleibt in Bewegung und kann nur gewinnen.
Jetzt kommt auch gleich mein Lieblingsspruch: Manche Menschen entwickeln sich weiter, andere werden nur älter.
Andreas sagte zum Abschied: Ich freue mich, wenn ich mich über etwas freuen kann! Was auch immer er damit gemeint hat.
Es wird Zeit, dass ich wieder einmal nach Innsbruck fahre.