Augen auf, so lautet das Motto der Leica Ausstellung im Kunstfoyer München. 100 Jahre Leica – Fotografie, das bedeutet unzählige Bilder ausgewählter internationaler Fotografen, diverse Schriften, Filme und ein umfangreicher Katalog. Da heißt es wirklich, die Augen offen halten und genau hinsehen, sonst weiß man am Ende gar nicht mehr, was man alles gesehen hat. Man sollte sich daher viel Zeit nehmen, oder auch öfters hingehen.
Aber jetzt, Augen auf!
Viele der ausgestellten Bilder erscheinen bekannt und wecken Erinnerungen. Man hat sie schon einmal irgenwo gesehen, wie das berühmte Foto von Nick Ùt Napalm gegen Zivilisten, Vietnam 1972. Oder die Beatles, wie sie gerade in Deutschland aus dem Flugzeug steigen (Christian Skrein 1965). Da hängt das Foto von James Dean mit Zigarette (Dennis Stock) und um die Ecke eine junge, ganz natürliche Kate Moss (Paolo Roversi).
Dort räkelt sich eine schöne Melina Mercouri – dick geschminkt und geschmückt – mit einer Zigarette und nackt in eine Wolldecke gewickelt, auf einer Satin Bett-Decke. Darüber der schlafende Vittorio de Sica mit hochgeschlagenem Mantelkragen während einer Drehpause in Neapel(1961), daneben der junge Pier Paolo Pasolini(1953). Alle im richtigen Augenblick s/w aufgenommen von Herbert List.
Da hängen drei überaus aussagekräftige Fotos aus dem „Café Hawelka“ Zyklus von Franz Hubmann, dem österreichischen Cartier Bresson. Der legendäre Herr Ober Ali jongliert mit zwei Tabletts zwischen den Gästen, man spürt förmlich die Atmosphäre und bekommt plötzlich so richtig Lust auf eine Melange.
Doch auch Fotos der für die damalige Zeit emanzipierten Frauen sind zu sehen, für die die Leica eine hochelegante, handliche Kamera war. Zum Beispiel Ilse Bing – die Königin der Leica wurde sie genannt – fotografierte die feinen Damen in Elsa Schiaparelli’s Schuhladen in New York(1934). Oder Aenne Biermann, deren Fotos heute in der Pinakothek der Moderne zu finden sind. Eindrucksvoll wird auch der Wandel in der Modefotografie präsentiert, mit Bildern berühmter Modefotografen wie F.C.Gundlach, Jean Lop Sieff und Will Mc Bride, der viel für TWEN gearbeitet hat. Wieder werden Erinnerungen an eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderungen wach.
Besonders beeindruckt haben mich auch die Farbfotos von John Bulmer der 1965 zum ersten Mal für das Sunday Times Magazine den Norden Englands mit Farbe fotografierte. Dann die großen, einprägsamen Portraits von Bruce Gilden der seine Art, Portraits zu fotografieren mit “flash in one hand and jumping at people” beschrieb.
Man kann bei so vielen Fotos so vieles sehen. Licht und Schatten, ungewöhnliche Perspektiven und Motive, historische Augenblicke und Weltgeschichte. Festgehalten von sensiblen Fotografen mit dem Gespür für den richtigen Augenblick. Diese Ausstellung ist ein MUST für alle Fotografie – Freaks. Natürlich darf man nicht fotografieren, wäre sowieso unsinnig da alle Bilder hinter Glas sind. Man kann sie aber zeichen!
Es wäre keine Leica Ausstellung, wenn nicht auch ein Nachbau der ersten Leica Kamera und weitere Modelle von 1925 bis 2006 zu bestaunen wären. Darüber hinaus gibt es noch interessante s/w Aufnahmen mit handgeschriebenen Protokollen aus der Fertigung, in denen die verschiedenen Arbeitsschritte exakt protokolliert wurden.
Zum Schluss noch ein Zitat von Milan Kundera, das einer der Beschreibungen der 16 Kapitel der Ausstellung zu lesen ist:
The memory does not film, the memory photographs.