Das Jagdfieber hatte mich gepackt, urplötzlich. Peng! Ich wollte endlich wieder einmal auf die Jagd. Aber nein, kein „Peng“! Kein Tier erlegen, sondern auf einen Pirschgang. Angeregt durch die Ansitzgedanken kam mir in den Sinn, dass es vielleicht einmal ganz interessant wäre, auf einem Hochstand zu zeichnen. Wo sonst, wenn nicht bei einem Spaziergang durch ein Revier und von einem Hochstand aus kann man die Natur in absoluter Ruhe erleben und das Wild beobachten. Glücklicherweise kannte eine meiner Freundinnen einen Jäger, der mich ganz spontan vor ein paar Tagen zu diesem Pirschgang mitgenommen hat.
Voller Vorfreude und beflügelt von frühesten Kindheitserinnerungen packte ich meinen Rucksack. Zeichenblock und Stifte, Fernglas, Fotoapparat, eine Flasche Wasser, wetterfeste Kleidung und Stiefel. Die Fahrt ging bei Regen in ein Landschaftsschutzgebiet im Bayerischen Oberland.
Am Biberweiher
Der erste Rundgang führte zu einem kleinen, idyllisch gelegenen Weiher, an dessen Rand zauberhafte, gelbe Wasserlilien blühten. Direkt am Ufer waren die Spuren einiger Biber zu sehen. Als nachtaktive Tiere hatten sie sich in ihren Bau verkrochen, um sich für kommende Aktivitäten auszuruhen: Sich vegetarisch ernähren, Bäume fällen und Dämme bauen. Damit ist man schon die ganze Nacht beschäftigt.
Sehr eindrucksvoll die Arbeit eines jungen Bibers an einem Baumstumpf, dessen Oberfläche sich trotz der schmalen Zahnspuren ganz glatt angefühlt hat, wie von einem Holzbildhauer bearbeitet.
Einige werden sich jetzt sicher fragen, was denn das Besondere an so einem Pirschgang ist, in der Natur herum spazieren kann man doch immer. Richtig. Doch meistens kommen andere Menschen auch noch auf diesen Gedanken und schon ist es vorbei mit der Ruhe und der Einsamkeit.
Die Möglichkeit, am späten Nachmittag ohne große Worte mit einem Jäger durch ein Revier zu gehen, auf einem Hochstand zu sitzen und in Ruhe und Gelassenheit einen Waldrand „abzuglasen“ und zu warten, ob sich das ein oder andere Wild blicken lässt, hat schon etwas ganz besonderes. Auch das schlechte Wetter hat dazu beigetragen, diese einmalige Stimmung zu intensivieren. Tief hingen die Regenwolken über den mit Neuschnee (!) angezuckerten Bergen, vor uns der dunkle Nadelwald, vor dem sich die schmalen, weiß gekrümmten Stämme der Birke markant abhoben. Eine Landschaft, wie mit dem Pinsel gemalt und zu diesem Panorama der Geruch von Moos und feuchten Wiesen.
Leider war der Boden extrem nass und sumpfig, auch für die Tiere. Schon Tage zuvor hatte es ziemlich geregnet, daher ließ sich nur ein einziges äsendes Reh am Waldrand blicken. Immerhin. Statt dessen gab es viele verschiedene Vögel zu beobachten, wobei die Stimme eines Kuckucks mehr als intensiv zur Verstärkung der Geräuschkulisse beigetragen hat.
Faszinierend war die Artenvielfalt der blühenden Wiesen. Knabenkraut, gelbe Trollblumen, Mehlprimeln und viele mehr standen in voller Blüte. Wie sehr hatte ich bei meinem letzten Besuch im Oberland die blühenden Frühlingswiesen vermisst. Fast alle Wiesen um Benediktbeuern waren einheitlich gelb, mit Hahnenfuß bewachsen oder bereits einmal gemäht.
Fazit: Nass war’s, kalt war’s, regnerisch war’s, ruhig war’s und schön war’s! Gezeichnet habe ich leider nur ganz wenig, die Finger wurden kalt!!