Umziehen. Es ist der zwölfte Umzug und für mich auch eine Art, in Bewegung zu bleiben. Oder nicht? Wenn sich doch nur nicht immer so viel ansammeln würde. Beinahe neidvoll denke ich an eine Bekannte, die seit einiger Zeit in einem möblierten Ein-Zimmer Appartement lebt. Ursprünglich nur zur Überbrückung gedacht, stellte sie kurz darauf fest, dass das möblierte Wohnen durchaus viele Vorzüge bieten kann. Es sammelt sich nicht so viel an, man lebt bewusster, kauft keine unnützen Dinge wie Trostpflästerchen oder Musthaves mehr ein. Es gibt auch nicht mehr so viel zu sortieren und zu packen, sollte wieder einmal ein Wohnungswechsel anstehen. Man fühlt sich irgendwie freier.
Putzorgien reduzieren sich auf ein Minimum und – noch wichtiger – viele Übernachtungsbesuche haben sich auf ein Treffen beim Italiener reduziert. Die Vorteile einer kleineren Wohnung – vor allem im etwas fortgeschrittenen Alter – sind also durchaus nicht zu verachten. Eventuelle Einsparungen bei der Miete können in interessante Projekte investiert werden, wobei mir sofort Reisen oder längere Aufenthalte in meinen allerliebsten Lieblings – Städten in den Sinn kommen. Besitz bedeutet Belastung und je weniger man besitzt, desto freier fühlt man sich. Dieses Gefühl von Freiheit habe ich kürzlich wieder in Island erlebt, ausgestattet mit einem kleinen Koffer und einem Tagesrucksack. Die wichtigsten Dinge waren dabei, mehr braucht man nicht.
Die Wohnung ist voll mit Umzugskartons, eins der Bücherregale halb leer – oder halb voll?
Umziehen mit Altlasten?
Nein, dieses Mal sicher nicht mehr. Doch erst einmal müssen die Bücher sortiert werden. An all die Bücher, die noch in Kisten im Keller gelagert sind, mag ich momentan nicht denken. Ich liebe Bücher. Kindle hin oder her, es geht nichts über das schöne Gefühl, ein interessantes Buch in der Hand zu halten, sei es in schlaflosen Nächten oder zur Entspannung am Abend. Dabei fällt mir gleich ein kleines Buch ein, über das die New York Times geschrieben hat: »Eines dieser kleinen Bücher, die den Leser immerwährend verzaubern.« Ich habe es schon oft verschenkt und lese es ab und zu immer wieder. Genau so wie mein ganz persönliches Erste-Hilfe-Buch das mich schon oft aus problematischen Situationen gerettet hat.
Nach den Büchern kommen die Zeichnungen, die Zeichenpapiere und die Farben. Ich zeichne jeden Tag und fülle meine kleinen Tagebücher, ohne die ich nicht mehr aus dem Haus gehe, mit Skizzen, Zeichnungen und kleinen Texten. Jeden Tag. Es ist wie Fingerübungen am Klavier oder Vokabeln lernen. Hört man damit auf, ist ganz schnell alles wieder weg.
Die nächste Wohnung ist nicht möbliert und bis ich die neu gewonnene Freiheit genießen kann, dauert es noch ein paar Wochen. Vor Jahren bin ich – eigentlich nur vorübergehend – in eine große Wohnung eingezogen, um nach dem Auszug aus einem Haus wieder ein Dach über dem Kopf zu haben. Aus „vorübergehend“ sind letztendlich elf Jahre geworden und was sich in dieser Zeit zu den schon vorhandenen Altlasten ansammelt hat, kann man sich ungefähr vorstellen. Also wieder einmal die beste Gelegenheit, sich vor dem umziehen endgültig von Belastendem zu trennen.
Seit einiger Zeit befinde ich mich daher beim Ausmisten oder – etwas eleganter ausgedrückt – beim Sortieren und gleichzeitig Beenden einer elf Jahre dauernden Lebensphase. Einer Lebensphase, die von vielen Höhen und Tiefen begleitet und vielen Trostpflästerchen dekoriert wurde. Normaler Weise dauern doch derartige Phasen zwölf Jahre, oder?
Ich war schon immer gerne meiner Zeit voraus.