Seit Anfang September bin ich wieder in München. Ziemlich kurzfristig – genau genommen 10 Tage vor Abflug – hatte ich mich entschieden, mir endlich einen meiner Träume zu erfüllen. Island. 10 Tage. Peng!
Nach ein paar Tagen großzügiger Planung konnte ich mich während eines angenehmen Direktfluges nach Reykjavik in meinen Reiseführer vertiefen und mich erst einmal in Ruhe auf diese Stadt vorbereiten. Alles weitere würde sich dann schon ergeben. Freiheit und Unabhängigkeit sind für einen Schützen das Wichtigste. Doch jetzt aber schön der Reihe nach.
Reykjavik
Schon allein die Fahrt vom Flughafen in Keflavik mit dem Bus nach Reykjavik war ein Erlebnis. Die Autobahn führte durch eine karge Mondlandschaft, es war wie im Kino. Links dümpelte der blaugraue Nordatlantik und auf der rechten Seite breitete sich ein weites Lavafeld in unterschiedlichsten Farbtönen von schwarz, dunkelbraun, grün und blaugrau aus. Erdspalten, Brüche, und Verwerfungen überall. Dazwischen Steinmandln und mehr oder weniger große Basaltbrocken, die überall herumlagen, teilweise mit graugrünem Moos bewachsen oder zu skurrilen Gebilden geformt. Hatte ich nicht schon am Flughafen, auf dem Weg zum Bus einen leichten Schwefelgeruch in der Nase? Hatte ich dort hinten nicht wabernden Dampf aus einem Erdloch austreten gesehen? War dort hinten rechts nicht der erste Vulkankegel zu sehen? Die Ouvertüre zu Island. Ich war angekommen!
Nach ungefähr einer Stunde hielt der Bus idealerweise direkt vor der Unterkunft der ersten Nacht in Island. Das KEX sah von außen ziemlich trostlos aus, entpuppte sich aber als nettes und sauberes Hostel in zentraler Lage. Nach dem Einchecken blieb noch genügend Zeit, um die quirlige Stadt am Abend zu erkunden.
In der Stadt pulsierte das Leben, es war noch ziemlich hell und die Laugavegur – die Haupteinkaufsstrasse – voller Touristen und Einheimischer, die sich noch einen lustigen Sonntagabend machten. Die Isländer sind bekanntlich Weltmeister im Feiern! Alle Geschäfte hatten bis 22 Uhr geöffnet, was selbstverständlich sofort zu einem akuten Shopping Anfall führte. Outdoor Läden an jeder Ecke, ein Paradies. Die Isländer wissen schließlich auch ganz genau, was unter funktioneller Outdoor – Mode zu verstehen ist. Selbstredend, dass ich zugeschlagen habe.
Intensives Shopping verursacht bekanntlich Hunger und ich hatte seit dem Frühstück in München fast nichts mehr gegessen. Also gleich hinunter zum Alten Hafen ins Sea Baron um mit einer köstlichen Hummersuppe und Lachs vom Grill den Magen wieder zu beruhigen. Ins Sea Baron geht man nicht um lange gemütlich zu sitzen, sondern um hervorragenden Fisch und anderes Meeresgetier zu essen. Alles liegt frisch in einer Kühlteke, man sucht sich aus was man gerne möchte und bekommt erst mal eine Nummer. Dann macht man sich auf Platzsuche, entweder im Lokal oder draußen unter einer Plastikplane an einfachen Holztischen. Irgendwann wird eine Nummer aufgerufen und man bekommt seinen Fisch auf Plastiktellern und Plastikbesteck serviert. Dazu wird reinstes isländisches Gletscherwasser getrunken, das kostenlos auf allen Tischen steht. Wer jetzt glaubt dass das nicht geschmeckt hat, liegt voll daneben. Frischer als dort kann man keinen Fisch bekommen …
Mittlerweile war es fast 23 Uhr und noch immer nicht richtig dunkel. Nach unserer Zeit hatte aber schon die neue Woche begonnen und allmählich wurden die Beine schwer, also ab ins Bett! Mein Bett im KEX stand in einem Vierbett Zimmer. Bingo! Unser zierlicher und ausgesprochen höflicher Mitschläfer – ein Asiate – hatte sich bereits nach oben in sein Stockbett verkrochen. Drei Frauen waren ihm sichtlich zu viel. Na dann, guten Nacht! Bereits kurz nach 4 Uhr war ich jedoch schon wieder munter. Geschnarche und dicke Luft von allen Seiten, was tun? Ab in den Aufenthaltsraum und etwas lesen, Notizen machen und zeichnen. Der Blick aus dem Fenster versprach nichts Gutes, es hatte in der Zwischenzeit zu regnen begonnen. Aber in Island muss man zu jeder Zeit mit allem rechnen, das Wetter würde sich bestimmt bald wieder ändern. Für morgen früh war jedenfalls eine Tour zum Whale Watching geplant, bei welchem Wetter auch immer …
Whale Watching
Nach einem opulenten Frühstück im KEX stapften wir in voller Regenkleidung gleich zum Hafen, zum Whale Watching. Dort wurden wir an Deck sofort in rote, dick wattierte Overalls verpackt. Drei Stunden sollte das Abenteuer dauern und pünktlich um zehn Uhr ging es los. Hoffentlich wird mir nicht schlecht, waren meine ersten Gedanken. Ungern erinnere ich mich an mein letztes Segelabenteuer in der Südsee.
Geschüttet hat es wie aus Kübeln, der Wind wurde immer stärker, der Seegang natürlich auch. Trotzdem und vielleicht gerade deshalb stand ich fast die ganze Zeit am Bug des Schiffes und ließ mich vollregnen und anstürmen. Kate Winslet fiel mir ein, die Szene aus dem Film Titanic, in der sie im dünnen Sommerkleichen in ähnlicher Position zu sehen war. Na ja, ich war zwar nicht Kate Winslet aber ich habe zumindest nicht gefroren, obwohl mir Wind und Regen ins Gesicht gepeitscht hatten. Es war einfach nur schön. Wieder einmal hatte ich mein Ziel erreicht.
Plötzlich reduzierte das Schiff die Geschwindigkeit und alle unter Deck gebliebenen Passagiere stürzten aufgeregt nach oben an die Reeling. Delfine! Sie flitzen plötzlich spielerisch vor und neben dem Schiff herum, sprangen in die Luft und ließen sich wieder ins Wasser plumpsen. Es waren Weißschnauzendelfine, eine Spezies, die nur im Nordatlantik vorkommt. Was für ein Erlebnis!
Es dauerte nicht mehr lange, bis sich ein Buckelwal durch eine größere Luftblasenansammlung bemerkbar machte. Plötzlich war sein langer, schwarzer Rücken zu sehen und noch schneller machte er einen Buckel und tauchte ab, wobei er seine gesamte Fluke noch aus dem Wasser streckte. Gerade noch rechtzeitig konnte ich ein Foto machen was bei dem schwankenden Schiff und dem nassen Boden nicht ganz einfach war. Vielleicht präsentiert er sich beim nächsten Mal besser!
Gegen Mittag waren wir wieder im Hafen angekommen. Das Wetter hatte sich inzwischen wieder beruhigt und nach einem kurzen Mittags – Snack in einem Fischlokal war die Harpa, das neue Konzert- und Kongresszentrum an der Reihe. Für die Harpa mit ihrer spektakulären Glasfassade sollte man schon einige Zeit investieren. Faszinierende Spiegelungen der Außenfront, die den Betrachter an die Farben der isländischen Natur erinnern sollen, locken den Betrachter nach Innen. Dort wird man an jeder Ecke mit unglaublichen Ausblicken zum Verweilen verführt. Das nächste Mal bleibe ich ganz bestimmt länger, die Tage in Reykjavik gingen so schnell vorüber. Zu wenig Zeit, um das Art Museum und diverse Galerien oder Veranstaltungen in der faszinierenden Harpa zu besuchen.
Golden Circle
Den Golden Circle sollte man gesehen haben, obwohl die Touristen massenweise in ihren Bussen zu den diversen Sehenswürdigkeiten gekarrt werden und man Probleme hat, ein Motiv ohne die davor versammelte Menschenmenge zu finden. Ich stimme gerade das Lied vom Glück des Individualreisenden an! Schnell ist man aus der Stadt und sofort von einer unglaublichen Natur umgeben. Weite Lavafelder, mit hellgrünem und grauem Moos bewachsen, Basaltsteine, wie zufällig und zu skurrilen Phantasiegebilden erstarrt. Besonders eindrucksvoll der Pingvellir Nationalpark mit der Allmanagjá, der Grabenbruchzone, die die Amerikanische von der Eurasischen Kontinentalplatte trennt. Fotos aufgrund der in der engen Schlucht massenhaft ausgestreckten Arme einer asiatischen Touristeninvasion leider nicht möglich. Der Pingvellir ist übrigens ein geschichtsträchtiger Platz. Hier wurde 1944 die Republik Island ausgerufen und schon im Jahr 930 wurde an dieser Stelle über Recht und Unrecht geurteilt.
Der Golden Circle Tag sollte ein langer und eindrucksvoller Tag werden. Vom Pingvellir National Park führte der Circle teilweise am Pingvallavatn, dem größten Binnensee Islands, weiter zu Laugarvatn. Dort, in einem einladenden Geothermalbad, wird als Spezialität des Hauses eine geräucherte Seeforelle aus dem Pingvallavatn serviert, liebevoll dekoriert auf einer Scheibe Rougbraud, einem süsslichen Roggenbrot. Dieses Brot wird in ausrangierten Waschmaschinentrommeln, die in die Erde versenkt wurden, im heißen Dampf gebacken. Sachen gibt’s! Habe ich schon erwähnt, dass die Isländer ihre Geothermie optimal nützen?
Mittlerweile war ich bereits mit dem Leihwagen unterwegs. Gegen das kostenlose Upgrade vom winzigen Toyota Aygo zu einem nagelneuen Renault Scenic mit Automatik gab es selbstverständlich keine Einwände. Das Auto mutierte innerhalb kürzester Zeit zum Wohnmobil und somit zu einem zuverlässigen Begleiter.
Auf schnorcheln und tauchen in der nahe liegenden Silfra Spalte habe ich großmütig verzichtet. Ich wollte mich in Island nicht im Taucheranzug ins Wasser begeben, sondern ausschließlich entspannt im Badeanzug in warmes Wasser legen und dazu sollte es noch am selben Tag kommen. Gestärkt durch das schmackhafte Rougbraud stehe ich kurz darauf vor dem Strokkur. Vor mir ein riesengroßes Loch, in dem es blubbert und brodelt. In einem Abstand von ca 10 Minuten bildet sich – sehr zuverlässig – eine riesige türkisblaue Blase, die plötzlich mit unheimlicher Kraft und lautem Zischen nach oben schießt. Große Menschenansammlung, kein Foto. Trotzdem, irgendwie hat der Grand Old Faithful und der Morning Glory Pool im Yellowstone National Park hat einen intensiveren Eindruck hinterlassen.
Aber jetzt zum Gulfoss, dem Goldenen Wasserfall, der als Fluss Hvitá unterhalb des Gletschers Langjökull entspringt und mit ohrenbetäubendem Getöse in zwei Stufen ins Tal donnert. Unheimlich, eindrucksvoll und gewaltig. Sein Rauschen habe ich heute noch im Ohr!Nach all diesen phantastischen Naturschauspielen ging es gleich weiter Richtung Selfoss, nach Hveragerdi. Hier bauen die Isländer ihr Obst und Gemüse in Glashäusern an, die mit – womit sonst – Geothermie beheizt werden. Kurz nach Hveragerdi führt ein wunderschöner Trail ins Reykjadalur Valley. Auf und ab führt der schmale Trail. Es nieselt, dann klart der Himmel wieder etwas auf, dann schüttet es gewaltig. Plötzlich wieder blauer Himmel. Es ist eine wilde Landschaft, die sich mit grünen, von blühendem Wollkraut übersäten Wiesen abwechselt. Schafe überall und Erdlöcher, in denen es brodelte und zischte. Schwefelgeruch. Am Ende des Tals waren mehrere Dampfsäulen zu sehen …
Und hier geht es weiter!