Es war einmal ein Mäusezelt, das viele Jahre lang unbeachtet und vergessen in einem dunklen Gartenhaus lag. Niemand zeigte mehr Interesse an dem kleinen, silbergrauen Zelt mit dem roten Eingang. Niemand, außer den Mäusen, die sich an einer Ecke des Innenzeltes gütlich taten und kleine Fenster hineinfraßen. Das Zelt sehnte sich nach Sonne, nach frischer Luft und grünem Gras. Man hatte es einfach vergessen und nur die Mäuse kamen immer wieder zu Besuch und knabberten in ihrer Lieblingsecke immer weitere kleine Fenster. Und so begann das Zelt, sich langsam und allmählich einen eigenartigen Geruch zuzulegen, um sich gegen die gierigen Mäuse zu wehren. Es moderte in dem dunklen Gartenhaus vor sich hin, bis eines Tages …
Eines Tages verspürte ich plötzlich Lust, wieder einmal in einem Zelt und direkt an einem Seeufer zu übernachten. Im Zelt zu schlafen, das wäre doch sicher etwas abenteuerlich und lustig. Schon vor einem Jahr – in Island – hatte ich dort, in dieser grandiosen Landschaft, immer wieder Lust auf eine Übernachtung in der Natur mit Sternenhimmel oder Nordlicht gehabt. Ich besitze aber kein Zelt. Was tun?
Wohl dem, der einen guten Freund/in hat
Die Christl fiel mir ein. Vielleicht …? Die Christl wohnt in einem schönen Haus mit einem zauberhaften Garten, in dem ein verwunschenes Gartenhäuschen steht. Und in genau diesem Gartenhaus wartete ein Zelt darauf, wieder einmal an die Sonne zu kommen. Und so geschah es, dass das Mäusezelt nach vielen Jahren plötzlich wieder einmal in der Sonne stand. Zuerst für einige Tage zum „Ausmodern“ im Garten um danach – wieder schön verpackt – im Kofferraum meines Autos mit auf die Reise zu gehen. Selbstverständlich mit der Christl, denn die war ebenso begeistert von der Idee, wieder einmal im Zelt zu übernachten.
Nach einer Stunde Fahrt waren wir am Ziel angelangt und das Mäusezelt konnte wieder in die Sonne, auf einen weichen, frisch gemähten Grasboden und an die klare Gebirgsluft. Jetzt musste das Mäusezelt nur noch aufgestellt werden. Doch wir gehörten nicht zu den routinierten Profi – Zelt – Aufstellerinnen und haben anscheinend einen ziemlich ratlosen Eindruck gemacht. Heringe hin und her, Schnüre spannen, Stangen reinschieben und dann noch der Geruch. Doch bald erbarmte sich ein hilfsbereiter, junger Mann in der Nähe und innerhalb kürzester Zeit war das Mäusezelt aufgebaut.
Das Mäusezelt steht
Glücklich, silbergrau und rot strahlend, stand das Mäusezelt nun auf der grünen Wiese in der Sonne und versuchte mit großem Eifer, die Reste des modrigen Geruchs los zu werden, wobei wir mit dem Spray „Grüne Wiese“ dezent nachgeholfen haben.
Während sich das Mäusezelt in Ruhe auslüftete, vergnügten wir uns im glasklaren und erfrischenden Wasser des Sees an meinem kleinen Privatstrand. Eincremen, schwimmen, in der Sonne trocknen, reden, schreiben und zeichnen, Fotos machen und die Natur beobachten. Gibt es etwas Schöneres?
Bald brach die Dämmerung herein und nach einem opulenten Abendessen auf einer nahe gelegenen Alm entschieden wir uns noch zu einem kleinen Spaziergang am Seeufer. Spiegelglatt lag der See vor uns, die Luft war kühl und der Kopf klar. Eine meditative Stimmung lag über dem See und Ruhe. Ruhe überall, nur das vereinzelte Schnattern einer Ente war manchmal zu hören.
Schnell legte sich die kühle September-Nacht über den See und wir liefen zurück zum Mäusezelt. Auf dicken Isomatten und warm – von Kopf bis Fuß in Daunenschlafsäcke – verpackt, sortierten wir noch Taschenlampe, Handy und warme Socken für den Notfall. Wir einigten uns, das Zelt nur mit dem Mückenschutz zu verschließen, da meine empfindliche Nase noch immer einen leichten Modergeruch wahrgenommen hatte. Mit dem Kopf lag ich daher neben dem Zelteingang, um nicht direkt neben den von den Mäusen angefertigten Zelt Innenfenstern die Nacht zu verbringen oder von Mäusen zu träumen. Bald war es ganz dunkel und ruhig, nur ab und zu war ein Flugzeug am Himmel zu hören.
Herrlich, der Sternenhimmel war zu sehen und frische Luft strömte von draußen ins Zelt. Wieder hatte sich einer meiner Wünsche erfüllt und bald schliefen wir zufrieden ein.
Hirschbrunft
Es dauerte jedoch nicht lange und ich wurde durch ein Geräusch in unmittelbarer Nähe aufgeschreckt, das sich wie das Röhren eines Brunfthirsches anhörte. Theoretisch wäre das möglich gewesen, denn gleich hinter uns lag der Wald und die Almweiden. Ich hatte hier schon oft auf einer der kleinen Hütten in der Umgebung übernachtet und manchmal bereits Anfang September den unheimlichen Brunftschreien der Hirsche aus sicherer Entfernung zugehört. Aber, war es dafür nicht noch ein paar Wochen zu früh? Doch kurz darauf ertönte das seltsame Geräusch wieder und auch Christl wurde wach. Was war das? Es hörte sich an, als ob es direkt an der Außenwand des Mäusezeltes wäre. Langsam wurde es richtig unheimlich, ich rückte weiter in die Mitte des Zeltes und wartete ab. Wir beratschlagten leise, was das denn für ein Geräusch sein könnte und zählten die Abstände, in denen es auftrat.
Bald stellte sich heraus, dass es kein Hirsch sein konnte. Es war ein Mann, der in sich in einem der Zelte mit einer unglaublichen Perfektion einer leidenschaftlichen Schnarch – Orgie hingab. Wir begannen zu kichern, erst leise, dann immer lauter und konnten uns nicht mehr beruhigen. Unser Gelächter steigerte sich in eine richtige Lach – Hysterie. Plötzlich ertönten die Lacher auch aus den anderen Zelten im Umfeld, nur der Schnarcher ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und röhrte schnarchte beharrlich weiter. Wir waren gerade dabei unsere Tränen zu trocknen, als der gute Mann plötzlich verstummte und eine weibliche Stimme leise sagte: „Ich glaube, die sind froh wenn wir wieder weg sind“ – was natürlich sofort für eine weitere Lachsalve sorgte. Was für eine Nacht!
Aufgewacht
Der Morgen dämmerte. Über dem See waberte der Nebel und im Mäusezelt war es im Laufe der Nacht ganz schön feucht und kalt geworden. Im Vordach hatte sich ziemlich viel Wasser angesammelt und die Außenhaut klebte wie ein nasser Regenmantel am Innenzelt. Die Gedanken kreisten nur noch um eine Tasse heißen Kaffee und Frühstück. Also, nichts wie raus aus dem Mäusezelt und am besten gleich mit einer kleinen Kneipp – Anwendung den Tag beginnen. Tautreten. Barfuß durch das nasse Gras laufen, Socken anziehen und dann sofort in die Schuhe. Spüren, wie die Wärme in den Körper zurück kommt. Phantastisch!
Langsam löste sich der Nebel über dem spiegelglatten See auf und stellenweise war schon der blaue Himmel zu sehen. Ein herrlicher, wolkenloser Tag kündigte sich an.
Jetzt noch kurz am See entlang laufen, die Stille und Ruhe genießen. Die noch feuchte und klare Luft strömt durch die Lungen, erfrischt die Atemwege und den ganzen Körper. Jetzt, gleich nach Sonnenaufgang in den glasklaren See, dessen Temperaturen mit knapp 18 Grad etwas wärmer waren als die Luft! So könnte doch jeder Tag beginnen, oder?